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Stellungnahme zur Cannabisregulierung

Sehr geehrte Mitglieder des Gesundheitsausschuss,

wir möchten im Namen der CAD – Cannabis Anbauvereinigungen Deutschlands und der Vereine, die sich über die Gründungscommunity einbringen, auf die dringende Notwendigkeit einer umfassenden Reform der Gesetzgebung zur Cannabisregulierung in Deutschland aufmerksam machen. Unsere Vorschläge basieren auf einer sorgfältigen Analyse und Beratung, und wir bitten Sie, diese als wichtigen Beitrag zur laufenden Debatte zu betrachten.

1. Gemeinsamer Konsum in geschützten Räumen der Vereine

Unser Vorschlag, den gemeinsamen Konsum in den geschützten Räumen der Vereine zu ermöglichen, wird von mehreren Argumenten gestützt:

  • Prävention: Ein geschützter Raum für den Konsum ermöglicht es, Präventionsmaßnahmen effektiver umzusetzen. Hier können Mitglieder über sicheren sowie verantwortungsvollen Konsum aufgeklärt und zudem kann kritischer Konsum wahrgenommen und darauf reagiert werden.
  • Verbraucherschutz: Geschützte Räume erlauben eine bessere Kontrolle der Qualität und Reinheit des Cannabis, was den Verbraucherschutz stärkt und gesundheitliche Risiken minimiert.
  • Förderung von Kultur: Diese Maßnahme fördert die Entstehung einer respektvollen und verantwortungsvollen Konsumkultur, die den Austausch von Wissen und Erfahrungen ermöglicht. Es ist zudem wichtig, die Gesamtheit der Bannmeilenregelungen kritisch zu hinterfragen. Sie erweisen sich in der Praxis als schwer umsetzbar und könnten in eine Form umgewandelt werden, die besser mit geltenden Normen und Bedürfnissen vereinbar ist.

1.1 Auswirkungen der Bannmeilenregelungen auf Freizeitkonsumenten und Patienten mit besonderem Augenmerk auf den Jugendschutz

Wir schlagen vor, die Bannmeilenregelungen so anzupassen, dass der Schutz von Kindern und Jugendlichen gewährleistet wird, ohne Patienten und Freizeitkonsumenten zu benachteiligen. Dies kann erreicht werden, indem darauf geachtet wird, dass sich keine Jugendlichen in unmittelbarer Nähe des Konsums befinden und dass Uhrzeiten in kritischen Bereichen eingehalten werden. Gleichzeitig sollten Patienten von jeglichen Beschränkungen befreit sein.

  • Jugendschutz: Die Regelungen sollen sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche keinen Zugang zum Konsum von Cannabis haben und diesen auch nicht beobachten, indem darauf geachtet wird, dass keine Jugendlichen während des Konsums in der Nähe sind. Durch eine vernünftige Sichtweiten- und Zeitregelung schützt man die Jugend, ohne den Konsumenten unangemessen zu benachteiligen.
  • Patientenversorgung: Patienten sollten von jeglichen Beschränkungen befreit sein, um sicherzustellen, dass sie jederzeit Zugang zu ihrer notwendigen medizinischen Behandlung haben. Dieser Ansatz zielt darauf ab, den Schutz von Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten, ohne die Patienten oder Freizeitkonsumenten übermäßig zu beeinträchtigen. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass Patienten uneingeschränkt versorgt werden. Patienten dürfen von neuen Gesetzen nicht kriminalisiert oder schlechter gestellt werden.

1.2 Dokumentationspflichten und Datenschutz – Schlüsselaspekte

Wir möchten nachdrücklich betonen, dass Dokumentationspflichten in Bezug auf den Konsum pseudonymisiert erfolgen müssen und dies unter Berücksichtigung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Dieser Ansatz wird durch mehrere wichtige Gründe gestützt:

  • Datenschutz und Privatsphäre: Die Pseudonymisierung der Dokumentation gewährleistet den Schutz der Privatsphäre der Konsumenten. Datenschutz ist ein grundlegendes Recht, das unbedingt respektiert werden muss.
  • DSGVO-Konformität: Die Einhaltung der DSGVO ist von größter Bedeutung, um rechtliche Anforderungen zu erfüllen und die Vertraulichkeit der Daten zu wahren. Dies stärkt die Integrität unserer Aktivitäten und trägt dazu bei, das Vertrauen in unsere Arbeit zu festigen.

2. Empfehlungen aus Sicht der Anbauvereinigungen

Wir empfehlen, Vollzeitstellen im Anbau zu ermöglichen, damit die nachfolgenden Probleme gelöst werden. Die vorgeschriebene Mitwirkung aller Mitglieder im Anbau hat diverse Nachteile, darunter die Sorge der Qualitätssicherung sowie notwendige Hygiene bei Umsetzung mit reinem Ehrenamt und Minijobs. Dies ist aus unserer Sicht mit den aktuellen Vorgaben nicht möglich. Das Personalmanagement kann stark reduziert werden und sich positiv auf den Abgabepreis auswirken.

Um eine einheitlichere Bildung zum Thema Cannabis schaffen, empfehlen wir einen Schulungs- und Präventionskatalog. Ein Präventionskatalog könnte z.B. Bausteine zu diversen Themen aufgeteilt und nachvollziehbarer gestaltet sein. Die Vorgaben zur Prävention über die Finanzierung durch Mitgliedsbeiträge werden als weitere Hürden betrachtet. Generell sind Vereine auf vollständige Eigenwirtschaftlichkeit ausgerichtet.

Wir empfehlen die Lizenzbegrenzung von 7 Jahren aufzuheben, da bereits fortlaufend geprüft wird. Um die Planungssicherheit zu erhöhen, die Attraktivität eine Anbauvereinigung zu gründen und den Aufwand auf Seite der Behörden zu reduzieren, ist eine doppelte Prüfung und zeitliche Begrenzung zu
vermeiden.

Wir empfehlen die Prüfung der Zuverlässigkeit zu reduzieren. Dadurch wird die Attraktivität einer Gründung gesteigert und die Hindernisse zur Gründung weiter reduziert. Eine Prüfung des Vorstands der letzten 2-3 Jahre statt 5 Jahren, sollte bereits ausreichen.

Wir empfehlen den unverzüglichen Start der Evaluation. Damit man belegen kann, wie sich die Entkriminalisierung auswirkt, sollten die Dunkelziffern möglichst aufgedeckt werden. Die Straffreiheit ist jedoch dazu erforderlich und auch Ersatzstrafen wie Führerscheinentzug sowie Berufsverbote müssen dafür der Vergangenheit angehören.

Wir empfehlen die Definition der Kontrollrechte der zuständigen Behörden. Proben sollten eine maximale Obergrenze erhalten, so dass diese nicht durch Behörden öfter als notwendig ausgeführt werden dürfen. Im Falle der Wertüberschreitung muss ebenso eine obere Maßgabe vorliegen, damit die Behörden diese Instrumente nicht missbrauchen können.

Wir empfehlen, die Mitgliederbegrenzung neu einzuteilen. Die Versorgung von Mitgliedern mit Cannabis kann man limitieren, doch die politische Beteiligung sollte allen offenstehen. Es gibt bereits Vereine, die sich politisch ausgerichtet haben und darunter auch Nicht-Konsumenten:innen, die man durch den jetzigen Entwurf damit zukünftig ausschließt. Ebenso sollte eine sozial gerechte Alternative erwogen werden und die maximale Abgabemenge pro AV und Monat auf 25 Kg Cannabis oder Haschisch Produkte begrenzen. So können auch Konsumenten dem Verein angehören, welche einen geringen monatlichen Konsum haben. Dadurch müssen die Mitglieder nicht dazu animiert werden, möglichst große Mengen abzunehmen und bieten damit geringeren Konsum Anreize.

Wir empfehlen, die Verbotszonen aufzuheben. Die Sichtweite oder bekannte Normen aus der Glücksspiel-, Tabak-, oder Alkohol-Branche wären angebrachter. Eine Umsetzung der Verbotszonen ist zudem weder für Verbraucher noch für Kontrollbehörden, wie vorgesehen, machbar. Ausreichend wäre 7-18 Uhr Konsumeinschränkungen in kritischen Zonen. Ein Verbot von Konsum im CanG wird als Rückschritt betrachtet, da der reine Konsum nach heutigen Gesetzen straffrei ist.

Wir empfehlen, die Anhebung der Pflanzenanzahl im Homegrow auf mindestens 4 und die Begrenzung auf blühende Pflanzen zu ändern. Ebenso sollten die Abgabevorgaben zum Vermehrungsmaterial mit der Obergrenze des privaten Besitzes einheitlich gestaltet werden.

Wir empfehlen eine realistische, neue Obergrenze für die Lagerung oder gar keine für den privaten Raum. Lagerung einer Jahresernte aus dem Eigenanbau über Outdoor-Produktionen ist aktuell unmöglich. Die Abgrenzung mit einer Menge zum Gewerbe erfolgt mit den anderen Säulen und könnte bis dahin offen
bleiben.

Wir empfehlen eine Anhebung der verkehrstauglichen Werte. Gemessen sollte der Rauschzustand niemals anhand von Abbauprodukten wie THC COOH. Eine
Anhebung dieser Messwerte ist dringend erforderlich, um den Menschen den Konsum überhaupt zu ermöglichen, ohne die Fahrerlaubnis zu riskieren. Besser wäre es, evaluierte Daten aus z.B. Kanada anzuerkennen und in den Prozess aufzunehmen.

Wir empfehlen, die bisher zu Unrecht kriminalisierte Bevölkerung zu bedenken. Eine Entschuldigung, die das Unrecht betrifft, ist gefordert. Im Ursprungsland der Prohibition, der USA, wurde bereits aufgerufen, dass damit immer noch verursachte Leid an unschuldigen Verbraucher:innen sofort zu beenden. Außerdem könnte man die konsumnahen Delikte z.B. bei Lizenzvergaben bevorzugen wie in den USA oder auch einfach zum Start Vermehrungsmaterial verschenken wie in Thailand.

Wir empfehlen die Löschung staatlicher Registereinträge ohne Bürokratie. Die konsumnahen Cannabisdelikte sollten alle ohne ein Antragsverfahren entfernt werden. Die Speicherung ist nicht weiter notwendig und nach Datenschutzvorkehrung sollte man redundante Daten entfernen, bevor man diese verliert.

Wir empfehlen die Daten der Mitglieder besonders zu schützen. Eine Zuordnung darf Dritten nicht ermöglicht werden, außer bei Straftaten. Die fortlaufende Stigmatisierung wie Kriminalisierung von Konsument:innen wie Patient:innen, hat viele Menschen bezüglich Ihrer personenbezogenen Daten in Verbindung mit Cannabis sehr sensibel gestimmt. Die erforderliche Dokumentation sollte nur pseudonymisiert erfolgen.

3. Mangel an einer zuständigen Behörde und Kontrollstruktur

Eine mögliche Lösung kann sich an internationalen Standards wie dem Single Convention on Narcotic Drugs auf Bundesebene orientieren. Dies würde eine klare rechtliche Grundlage für die Kontrolle schaffen. Darüber hinaus könnte ein Bund-Land-Konstrukt als Kontrollinstanz etabliert werden, damit die Länder einheitlicher reagieren und eine höhere Instanz schlichten könnte. Es wäre denkbar, die Cannabisagentur mit der Aufgabe der Beratung zu beauftragen.

4. Proben-Pflicht begrenzen

Um sicherzustellen, dass Anbauvereine nicht unverhältnismäßig belastet werden, ist es wichtig, klare Richtlinien für die Proben-Pflicht festzulegen. Hierbei sollten Proben einmal jährlich und maximal quartalsweise pro Charge entnommen werden, wodurch der Prüfaufwand wirtschaftlich gestaltet wird.

5. Mitwirkungszwang beim Anbau und seine Auswirkungen auf Qualitätsstandards

Mitwirkungszwang beim Anbau widerspricht den hohen geforderten Qualitätsstandards. Eine Mitwirkung soll durch die Anbaukonzepte für alle gewillten Mitglieder ermöglicht werden.

6. Eindämmung des Schwarzmarkts

Entgegen der Grundannahme des Drogenverbots, wächst der Schwarzmarkt seit Jahren neben Cannabis auch im Bereich harter Drogen wie Crystal, Ecstasy, Kokain und in dieser Folge auch Crack. Ein Blick auf die Zahlen des Bundeslagebild-Rauschgift des BKA seit 2012 zur Veranschaulichung der wachsenden Drogenproblematik:

Menge in Kg je Substanz / Jahr20122013201420152016201720182019202020212022
Ampehtamin119613391.3361.3561.4711.6691.631
Crystal7577746762114211mind. 290,5363,1785
Ecstasy (in Pillen)313.179480.839702.439967.4102.218.050693.6681.021.542
Heroin + Opium
(bis 2016 separat)
242 + 81270 + 294779 + 15210 + 96330 +
61
298mind. 1.000mind. 570mind.
430
mind. 1.000
Kokain1.2581.3151.5693.1141.8718.166mind. 5.000mind. 10.000mind. 11000mind. 23.00020.000
Cannabis4.9424.8278.2123.8525.9557.73116.900
Haschisch2.3861.7701.7481.5991.8741.2952.800
Crack0,50,40,50,40,1
Hinweis: “-” entspricht nicht angegeben.

Neben steigenden Zahlen bei harten Drogen wächst damit einhergehend auch die Folgebelastung bei Polizei und Justiz. Diese Mehrbelastung trifft auf eine zunehmend personell unterbesetzte Strafverfolgung. Strafjustiz sei “eklatant unterbesetzt” laut Vorsitzender des Deutschen Richterbund Andrea Titz. ~1000 Richter- und Staatsanwaltsstellen fehlen Stand Mitte 2021 (ca. 25000 gesamt), darüber hinausgehend eine Pensionierungswelle im Rahmen derer bis 2030 ca. 30 bis 40% der Richter und Staatsanwälte in Pension gehen bei nicht flächendeckend genügend BewerberInnen für die Justiz. Dies zur Verdeutlichung unserer Empfehlung, die Eigenbedarfsregelungen zu Eigenanbau, Besitz und Konsum so auszugestalten, dass es zu einer maximalen Entlastung von Polizei und Justiz kommt.

7. Bußgeldvorschriften

Bußgelder von 30.000€ bis 100.000€ für teils konsumnahe Ordnungswidrigkeiten sind unverhältnismäßig. Wir empfehlen die Einführung eines Bußgeldkatalogs für geringfügige Ordnungswidrigkeiten, andernfalls droht eine regional stark unterschiedliche Auslegung der Bußgeldvorschriften.

8. Besitzobergrenzen im privaten häuslichen Umfeld

Beschränkungen in der Pflanzenanzahl von nur 3 Pflanzen erachten wir als deutlich zu niedrig, darüber hinaus wäre eine, wenn überhaupt vorhandene, Limitierung auf eine Jahresernte zu bevorzugen.

9. Führerscheinregelung

Die von der Bundesregierung angekündigten neuen Grenzwerte müssen mit Inkrafttreten des Gesetzes eingeführt werden, eine Fortsetzung der aktuellen Praxis im Führerscheinrecht muss enden. Die Höhe des Grenzwerts darf im Rahmen der vom Gesetz vorgesehenen Mengen in Bezug über Anbauvereinigungen zu keinem Nachteil führen.

Fazit

Unsere Vorschläge zielen darauf ab, die Gesetzgebung zur Cannabisregulierung transparenter, konsumenten­freundlicher und datenschutz­konform zu gestalten. Wir sind der festen Überzeugung, dass diese Maßnahmen sowohl kurzfristige als auch langfristige positive Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Vereinslandschaft haben werden.

Bitte beachten Sie unsere Empfehlungen sorgfältig und ziehen Sie diese in Betracht, wenn Sie die aktuellen Gesetzgebungsmaßnahmen zur Cannabisregulierung diskutieren. Unsere Expertise im Bereich der Vereinsführung und der deutschen Verbandslandschaft ermöglicht es uns, innovative Ideen zu präsentieren, die die Branche voranbringen können.

Wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung, um diese Empfehlungen weiter zu erörtern und Ihnen bei der Ausgestaltung der zukünftigen Gesetzgebung zur Seite stehen. Es ist an der Zeit, einen fortschrittlichen und konsumentenfreundlichen Ansatz zur Cannabisregulierung in Deutschland zu verfolgen.